Bildbetrachtung: Kulturlandschaft Darjeeling
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10 Dinge, die man sieht und die man nicht sieht
1) Ein appetitlicher Obst- und Gemüsestand, ein potentieller Käufer davor. Am Sortiment erkennt man, dass es sich eher um eine tropische Gegend handelt – allerdings verraten die Gesichtszüge noch nicht genau, wo.
2) Auf dem Dach des Obststandes spielt sich folgendes ab:
3) Wir sind in Kurseong, einer Kleinstadt in Darjeeling. Hier fährt durch die enge, dichtbefahrene und fußgängerbevölkerte Straße die berühmte Schmalspur-Darjeelingbahn – vielleicht hat jemand den Kinofilm Darjeeling unlimited noch im Gedächtnis? Die Darjeelingbahn passiert auch den (ehemals) höchst gelegenen Bahnhof der Welt in Ghum.
4) Darjeeling, im nördlichen Zipfel Indiens, angrenzend an Nepal, Sikkim/Tibet und Buthan, ist nepalesisch geprägt. Nachdem die Briten Mitte des 19.Jh. die Teepflanze aus China erfolgreich in die Region eingeführt hatten, siedelte die Kolonialmacht Nepalesen als Arbeitskräfte für die Teeplantagen an.
Heute, in der 4. Generation, ist die nepalesische Sprache noch gegenwärtig. Die Gesichtszüge der Menschen erzählen über die ursprüngliche Herkunft.
Politisch ist Darjeeling dem Bundesstaat Westbengalen angehörig – seit den 80er Jahren gibt es allerdings Autonomiebestrebungen nach einem freien “Ghorkaland”, gespeist aus wirtschaftlich-sozialen Problemen, aber auch aus der eigenständigen Identität.
5) Dieses Jahr haben wir in unserem – etwas verrückten, zugegebenermaßen – Urlaub unsere Lieferanten besucht. Gestartet haben wir unsere Reise in Zimbabwe mit einem Besuch beim Kleinbauernprojekt KAITE, unserem Partner für Chili, Baobabpulver, Papayablatt, in Kürze Moringablatt, und einiges mehr.
Über Zambia ging es weiter nach Nepal zum Kanchanjangha Tea Estate – einer genossenschaftlichen Betriebsform mit angeschlossenen Kleinbauerngruppen. Deren darjeeling-ähnlichen Tees werden wir zum Herbst/Winter listen. Auch hier werden interessante Kräuter und Gewürze gesammelt und angebaut, die vielleicht noch den Weg in unser reichhaltiges Sortiment finden.
In Darjeeling besuchten wir klassische Bio-Fairtrade-Teeplantagen unseres langjährigen Partners, die seit wenigen Jahren zusätzlich selbstständig organisierte Kleinbauerngruppen betreuen und deren Tees verarbeiten. In der Umbruchsituation in Darjeeling – Proteste gegen die postkoloniale Teeplantagenstruktur / Autonomiebestrebungen – ist das nun ein interessanter Schritt. Da wir gezielt Kleinbauernprojekte unterstützen, werden wir ebenfalls zum Winter einige dieser neuen Tees listen.
6) Die alte Teeplantagenwirtschaft, das britische Erbe, befindet sich in der Krise. Nach dem Plantation Labour Act ist der Plantagenbesitzer – staatlich oder privatwirtschaftlich – verantwortlich für die Versorgung der ArbeiterInnen, in den Bereichen Wohnen, Nahrung, Bildung und Gesundheit. Heute ist vieles vernachlässigt, die Häuser nicht mehr in gutem Zustand, Grundlöhne zu niedrig, hohe Jugendarbeitslosigkeit.
Ein Grund dafür sind z.B. auch zu niedrigen Teepreise, die im Export erzielt werden. Nach unseren Eindrücken werden bei Fairtrade-Plantagen einige Mängel, für die eigentlich die Besitzer zuständig sind, mit den Fairtrade-Prämien aufgefangen.
7) Die Teeplantagenstruktur, die zwar theoretisch eine gute und sichere Rundumversorgung darstellt, ist im Empfinden der Menschen nicht mehr zeitgemäß, da sie andererseits ein großes Maß an Vorher- und Fremdbestimmung darstellt. Die Unzufriedenheit äußert sich in Streiks, befürchtet werden Unruhen, aber es werden auch neue Wege (selbständiges Kleinbauerntum, Bio-Anbau auf mittlerweile 70% aller Teeplantagen, Fairtrade-Initiativen, Ökotourismus) gefunden. Wir können die einzigartige Kulturlandschaft Darjeelings erhalten und fördern, in dem wir gerechte Preise für diese köstlichen Tees bezahlen.
8) Eine neue Arbeit der Soziologin Sarah Besky über die Struktur Darjeelings beschreibt das Miteinander von Mensch und Natur als “landscape”. Die TeearbeiterInnen haben ein persönliches und emotionales Verhältnis zu ihren Teesträuchern, die sie pflegen und beernten. Sie sind sozusagen miteinander verwoben. Nimmt man diesen Landscape- Gedanken an, ergeben sich neue Frage zu Grundbesitz – wem gehört eigentlich das Land, wem die Pflanzen?
9) Auf unserer sehr intensiven Reise unter dem Thema “kleinbäuerliche Bio-Landwirtschaft” haben wir verschiedenste Gesellschaften gesehen – ganz ursprüngliche in Zimbabwe, und postkoloniale Gesellschaften in Indien, die deutlich durch das britischen “Heritage” geprägt sind (Gebäude, Anlagen, und die alten Teepflanzen sind immer noch unverzichtbare Betriebsmittel).
10) Nun sind wir wieder zurück, die Betriebsferien sind zuende, Stapel an Arbeit und die Herbst-Messesaison stehen an. Danach werden wir natürlich zu allen Reisestationen ausführliche Bild-Berichte schreiben. Zwischendurch, bis das alles fertig ist, gibt es im Blog noch einige “Häppchen” unserer verrückten Weltreise.
Heinz-Dieter Gasper, Ursula Stübner
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